An sich läuft es derzeit ganz gut. Bereits im November wurde das Jahresziel 13GWp Solarzubau ganz locker überschritten. Trotzdem rumort es in der Solarbranche, denn vor allem der Ausbau kleinerer Anlagen ist deutlich ins Stocken geraten. Was ist also los in der Solarwelt? Und ergeben sich daraus Chancen für Stadtwerke?
Verunsicherte Endkunden
Eine banale Erkenntnis ist, dass Endkunden dieses Jahr weniger Solaranlagen kaufen. Das gleiche gilt auch für Wärmepumpen. Hier wirkt die – medial stark befeuerte – Verunsicherung durch den Heizhammer nach. Da der Markt vor allem die ca. 16 Mio. Einfamilienhäuser in Deutschland sind und davon überschlägig 500.000 jedes Jahr neue Haustechnik brauchen (nach 30 Jahren muss ein Heizkessel ausgetauscht werden), ist meine Einschätzung, dass dieser Markt sich wieder beleben wird.
Bedrohen kleine Solaranlagen die Energiewende?
In den letzten Wochen ist eine grundsätzliche Diskussion aufgekommen, die Potential für weitere Verunsicherung hat. Im Kern geht es dabei nämlich um die konkrete Gestaltung der Energiewende in den kommenden Jahren. Amani Joas von Flexpower, das ist ein Stromhändler, argumentiert, dass kleine Solaranlagen der Energiewende schaden. Fallen geringe Stromnachfrage und viel Sonne auf den gleichen Tag (Ostersonntag), könnte das ungesteuerte Einspeisen vieler kleiner Anlagen das Stromnetz destabilisieren. Volkswirtschaftlich sei es effizienter große PV-Parks zu bauen. Und die von den Selbsterzeugern gesparten Steuern und Umlagen würden unsolidarischerweise von alle anderen Strommarktteilnehmern mit bezahlt.
Der erste Punkt ist grundsätzlich valide, zu viel Angebot ohne entsprechende Nachfrage ist für die Netzstabilität ein relevantes Thema. Ich glaube aber, dass es in der gebauten Realität weniger dramatisch ist, da ein großer Teil der 600.000 Verteilnetztrafos gar keinen Strom „nach oben“ durchleiten kann (Gefährliches Halbwissen? Bitte um Widerspruch!) und damit nur ein Teil des Solarstroms die Mittelspannung erreicht.
Dem zweiten Punkt zum volkswirtschaftlichen Nutzen stimme ich nicht zu. Das bisherige Marktdesign hat gigantische private Investitionen in kleinteilige Infrastruktur getriggert, einen dezentralen Strommarkt geschaffen, eine globale Lernkurve befeuert und einen großen Schritt aus der fossilen Abhängigkeit dargestellt. Und auch zukünftig brauchen wir mehr Speicher, Wärmepumpen, Wallboxen und keine Heizkessel und das nicht nur im Neubau.
Beim Thema Gerechtigkeit der Finanzierung des Stromnetzes teile ich Amanis Perspektive. Mein Vorschlag dazu: Die Finanzierung des Netzes könnte wenigstens teilweise nicht über die Menge des gelieferten Stroms, sondern als flat fee anhand der zur Verfügung gestellten Infrastruktur (quasi der Dicke des Kabels) abgeführt werden.
Old vs New Solar
Amani hat auch in der Situationsbeschreibung recht: Die wenigsten älteren Anlagen sind steuerbar. Hier knüpft die Diskussion Old vs New Solar an. Der Smart Meter Rollout hat bisher kaum stattgefunden. Im Bestand kann so gut wie nie ein gemeinsames System aus PV, Wärmepumpe, Warmwasser, Batterie und Wallbox gebastelt werden. Es ist zum Haare raufen, aber ein intelligentes Verknüpfen älterer Komponenten gleicht dem Versuch, eine Wetter-App auf einem Telefon mit Wählscheibe zu installieren. Das ist Old Solar.
New Solar bedeutet, dass alles miteinander verknüpft, gemessen und ausgesteuert wird, hierfür steht 1komma5. Deswegen pusht Philipp Schröder auch den Begriff „New Solar“. Leider bekommt man New Solar aktuell (fast) nur im Neubau oder bei einer Komplettsanierung. Wenn nur einzelne Komponenten (zB eine Wallbox) ergänzt werden, bleibt Old Solar die Lösung der Wahl.
Bei Old vs New und vor allem bei Kleinanlagen vs Energiewende ist mein Hinweis an alle Diskussionsteilnehmer, auf die Tonalität zu achten, um kein Eigentor zu schießen. Den Click-Bait Überschriften und das Ausspielen einzelner Gruppen gegeneinander wird von den echten Gegnern der Energiewende dankend aufgenommen.
Marktteilnehmer in Bewegung
Dynamische Stromtarife in Verbindung mit variablen Netzentgelten machen Stromkunden darauf aufmerksam, dass Energie ein relevantes Thema ist und fördern prinzipiell die Nachfrage. Zudem zwingen sie Marktteilnehmer, ihre Position zu bestimmen. Stromanbieter wie Octopus oder Lichtblick hoffen mit Haustechnik ihre Wertschöpfung vertiefen. Große neue Akteure wie Enpal und Zolar setzen teilweise oder ganz auf B2B Geschäft. Das bedeutet, sie bieten lieber skalierbare Elemente wie Leads, Finanzierungen, Software, Marke oder Komponenten an, als sich an der Komplexität der einzelnen kleinen Haus-Systemen abzuarbeiten. Lokale Handwerksbetriebe haben dadurch wieder eine größere Rolle gegenüber Endkunden und sind als potentielle Partner auch für Stadtwerke gestärkt.
Wrap-up: What a week, huh?
Es gibt also derzeit noch Kaufzurückhaltung bei Kunden (sprich einen Nachfrageschub in Zukunft), eine grundlegende Diskussion zur Gestaltung der Energiewende (mehr Zentralisierung?), eine Flexibilisierung des Marktdesigns und eine technologische Sprungveränderung bei der Konnektivität von Haustechnik, die dem iPhone Moment gleicht.
Ein ganz normaler Mittwoch, für Solarcoaster-Veteranen
Was hat das nun mit uns zu tun? Die Energiewende steht noch am Anfang und wieder einmal werden die Weichen neu gestellt. Stadtwerke haben die Chance, ihre Rolle in der Wertschöpfungskette zu stärken, anzupassen oder neu zu finden und vor allem auch einen langen Atem zu haben.
Ich bin auf die Diskussionen beim S!D25 dazu gespannt. Zu den News: